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Die Rothko Chapel in Texas scheint eine sehr spezielle Wirkung auf Musiker auszuüben. Von dem Komponisten Morton Feldman gibt es sogar ein Werk, das schlicht »Rothko Chapel« heißt. Auch das australisch-norwegische Improv-Trio Mural hat eine Schwäche für den Ort. 2011 entstand ihr Album »Live at the Rothko Chapel«, zwei Jahre später haben sie nun mit »Tempo« dort ein weiteres Mal eine Langspielplatte aufgenommen. »Langspiel« ist dabei wörtlich zu nehmen: Ihr Konzert im Jahr 2013 dauerte ganze vier Stunden, knapp drei Viertel davon sind auf »Tempo« dokumentiert. Der Titel ist Programm: Ob man darunter nun »Geschwindigkeit« oder »Zeit« versteht – im Italienischen käme noch „Wetter“ hinzu –, es geht um das sehr allmähliche Ausgestalten von Zeit, um den Übergang von Klang- in Raumerleben. Das alles ohne Eile, aber mit durchgehendem Spannungsbogen. Mural, bestehend aus dem Saxofonisten Jim Denley, Gitarrist Kim Myhr und Schlagzeuger Ingar Zach, modellieren Geräusche unmerklich in langgedehnte Töne um, wechseln von Drone-artigem Fließen zu dichten repetitiven Mustern mit einer Art innerer Zwangsläufigkeit, die den Eindruck äußerer Geschlossenheit erweckt, auch wenn die eingesetzten Mittel im Verlauf immer wieder variieren. Ein monolithisches Album, das – ganz wie die abstrakten Gemälde Mark Rothkos – seine Lebendigkeit aus seinen strukturbildenden Details gewinnt.