Fidelity

Zeit. Viel Zeit. Die braucht man für die hier vorliegenden vier CDs. Und dies nicht allein wegen der Gesamtlänge, sondern vielmehr wegen des Prinzips der totalen Entschleunigung, der kompletten Auflösung gängiger musikalischer Markierungspunkte und des maximalen Overkills der Wahrnehmungslimitierung.
Totally lost in space. John Tilbury, der Altmeister des avantgardistischen klaviers und kongenialer Interpret der Werke John Cages und Morton Feldmans, Keith Rowe, der von Beckett inspirierte Gitarrist und Tüftler ausgefuchster elektronischer Frickeleien, und der hier als Produzent fungierende Videokünstler Kjell Bjørgeengen kommen hier mit einer musikalischen Expedition daher, die als tönender Teil einer Videoinstallation Bjørgeengens geplant ist, der Visualisierung aber eigentlich gar nicht bedarf. Immer wieder fügen sich Elektrosplitter, Klangpartikel vom präparierten Klavier und Gitarrenflageoletts zu unerwarteten Klanggespinsten zusammen, werden
die Synapsen zu wunderbarsten Wahrnehmungsstörungen und psychedelischen Realitätsverschiebungen animiert, die musikalische Exkursion zu neuen Räumen
erweitert. Kompositorisch entwickelt sich das Projekt entlang der intensiven formalen und elektroakustischen Auseinandersetzung mit Morton Feldman und John
Cage. Hier zeigen zwei Interpreten, wie ihre jahrelange Spielpraxis ins Produktive, in ein neues Werk mündet, das sich in keiner Weise hinter den großen Namen
der amerikanischen Avantgarde verstecken muss. Im Gegenteil: Hier findet deren legitime und zeitaktuelle Fortführung statt.